Gegensätze in Balance


Lore Lehmann | Kunsthistorikerin | Neuenhagen bei Berlin


Begonnen hat es mit einem Töpferkurs. An der Volkshochschule. Aber all die hübschen Sächelchen, das war nichts für Eva Kojs lebhaft-vordernden Geist.

Also, ein richtiges Praktikum in einer Töpferei. Bei Christine Atmer de Reig. Danach Studium der Freien Kunst und Keramik in Kiel. Bei Professor Johannes Gebhardt. Ein Mann, der seine Schüler nicht allein im Umgang mit dem Stoff Ton unterwies. Sie vielmehr die Freiheit lehrte eigenständig zu sein. Ihre persönlichen Vorstellungen, Wünsche, Visionen zu realisieren.

Erste Studienreise nach Korea. Sehen – Lernen – Examen. Seit 1995 die eigene Werkstatt im Keramik Centrum Kiel.

Eva Koj dreht auf der Scheibe. Und sie macht ausschließlich Gefäße. Körperhafte Gebilde. Mit der Leere im Inneren. Umfasst – gehalten – geformt von der äußeren Wandung.

Töpfe. Groß, schwer. Manchmal schließt ein Deckel die obere Öffnung. Weit öffnet sich die Schale dem Licht, dem Blick. Becherförmiges steht in Reihung. Geschwisterhafte Ähnlichkeiten. Nie völlig gleich. So wenig wie Tiere aus einem Wurf.

Wenn der Topf aber nun ein Loch hat? Eva Kojs Töpfe haben Löcher. Löcher und Risse. Aus der Rotationsebene schwingende Wülste und Ränder. Verwerfungen, Asymmetrien. Löcher? Oder Durchblicke von außen nach innen und umgekehrt. Unregelmäßigkeiten? Vielmehr Wege aus vorgegebenen Pfaden.

Eva Koj dreht perfekt. Beherrscht das Handwerk und die Gesetze des weichen, beim Drehen so sehr sensibel-empfindlich reagierenden Tones.

Formt ihn, wohlzentriert-rotierend, zu Boden und Fuß eines Gebildes. Entlässt ihn dann aber in eigenwillige, ungestüme Freiheit. Spielt mit ihm. Strapaziert ihn, bis er reißt. Und fängt ihn endlich – in letzter Drehung – sicher wieder auf. Das ergibt jene hauchdünnen, beschwingten, blättergleichen Ränder, die manchmal so überraschend leicht Schale und Becher säumen.

Eva Koj folgt selten einem festen Plan. Lässt sich vielmehr von Augenblick und Eingebung leiten. Macht ihrer tönernen Geschöpfe Entstehungsgeschichte sichtbar. Ihre Abenteuer, Gefahren und glückliche Ausgänge.

Steinzeugtone. Lebhaft gefärbt in erdigen Tönen. Feuriges Rotbraun, Sandgelb. Manchmal ein nächtliches Schwarz. Alles im reduzierenden Feuer entstanden. Stark schamottiert der Ton. Hoch gebrannt. Hart und klingend. Das ergibt einen Scherben von charaktervoller Griffigkeit.

Engoben – farbige Tone – mit dem Pinsel in kraftvollen Schwüngen aufgetragen, betonen und strukturieren. Aschen, aus Planzen gewonnen, allerlei Salze, wandeln sich im Feuer in inniger Verbindung mit dem Scherben zu sanftem Glanz. Fern jeglicher Dekoration. Gehören zum Körper des Gefäßes wie Fell und Federkleid zu Katz’ und Vogel.

Manchmal füllt klare Glasur die Tiefe einer Schale. Enthüllt sich unter einem Deckel. Seladon. Opake Glasigkeit. Im Reduktionsbrand entstandene Eisenverbindungen. Geheimnisvoll schimmernd zwischen blassem, graudämmerigem Grün und bläulichen Tönen. Sich wandelnd in Sonnenlicht und Kerzenschein. Spannungsvoller Gegensatz zur Rauhigkeit des Scherbens.

Gelegentlich finden sich klassische Formen, Anklänge und Erinnerungen an ostasiatische Eindrücke.

Dann wieder – ganz eigenständig – schmale, hohe Körper – noble Silhouetten. Ein wenig einander zugeneigt. Schattenschwarz.

Eva Koj bringt immer wieder Gegensätze in Balance.

Gedrungene Schwere mündet in fragile Leichtigkeit. Aus statischer Ruhe erwächst dynamisch Bewegung. Unbeirrbar ihr sicheres Formgefühl. Die vieldiskutierte Frage nach Grenzen und Grenzüberschreitungen – Gefäß oder Objekt, Kunsthandwerk oder Freie Kunst – bei der Betrachtung von Eva Kojs Gebilden will sie sich nicht einstellen. Wohl sind es ganz eindeutig Gefäße. Lassen sich füllen mit Blumen, Pflanzen, Früchten und allerlei. Ebenso eindeutig erweisen sie sich jedoch als ästhetisch anspruchsvolle Geschöpfe mit raumbeherrschendem Eigenleben und unübersehbarer Ausstrahlung: Kraft – Temperament – Lebensfreude.

Nicht von ungefähr läuft einem der Name Eva Koj entgegen von überall, wo Keramik von heute gezeigt wird.